Der Projektleiter jubelt: „Das Projekt sollen wir in einem halben Jahr durchziehen? Das geht aber nicht mit unseren Prozessen“. „Moment mal“, entgegnet der Geschäftsführer, „Sie können doch nicht dieses komplexe Projekt unter diesem Zeitdruck vorbei an allen Prozessen entwickeln?“. „Ist der einzige Weg. Mit unseren Prozessen dauert es mindestens zwei Jahre.“
Ganz klar: Hier läuft was falsch. Wer ist eigentlich für wen da? Die Prozesse als Hilfestellung oder als Fußfessel für die Projektteams?
Die Prozessdenke kommt aus der arbeitsteiligen Welt
In der Zeit des Taylorismus war die Stabilität des Unternehmens das vordergründige Ziel. Organisationen haben das durch zwei Dinge erreicht: Hierarchien und Prozesse. Nachteil: Diese Organisationen sind nicht darauf ausgelegt, sich schnell an neue Situationen anzupassen.
Individuen und Interaktionen wichtiger als Prozesse und Werkzeuge
Praktiken, Leit- und Schutzplanken ersetzen in agilen Organisationen starre Prozesse auf Teamebene und regeln die Zusammenarbeit. An die Stelle eines komplexen Swimlane-Diagramms mit einer hohen Anzahl von Schnittstellen zwischen Funktionsbereichen treten agile Praktiken, die gut trainierte interdisziplinäre Teams konsequent, diszipliniert und täglich leben. Die Kommunikation zwischen Fachbereichen passiert automatisch und wie selbstverständlich in der täglichen Arbeit der Teams.
Prozesse wichtiger als das Ziel. Was denn nun?
Ist es nicht ein Widerspruch? Von Toyota wissen wir, dass der gut ausbalancierte Prozess wichtiger ist als das Ziel:
„Attaining a well-balanced process is more important than attaining the goal itself.” (Isao Yoshino, Toyota)
Das agile Manifest lehrt uns genau das Gegenteil, wenn es Interaktionen und Individuen über den Prozess stellt.
Das Ziel von Toyota ist Wiederholbarkeit bei gleichbleibender Qualität; das agile Manifest zielt auf Anpassungsfähigkeit. Beides sind wertvolle Ziele. Die Frage ist: Wie können wir beides unter einen Hut bringen?
Ergebnisse wichtiger als Durchführung
Starre Prozesse schreiben die Durchführung bestimmter Aufgaben vor. Dabei geht die Prozessbeschreibung von einem bestimmten Input aus, der einen bestimmten Output erzeugen soll. Problem: Wenn aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses der Input in der beschriebenen Form nicht vorliegt, ist bei Durchführung des Prozesses der gewünschte Output nicht gesichert.
Wenn aber das Managementsystem anstatt der Durchführung bestimmter Prozesse nur die gewünschten Ergebnisse beschreibt, kann das Team viel besser auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren, denn der Weg zum Ergebnis (das „wie“) liegt jetzt in der Verantwortung des Teams. Lediglich das Ergebnis selbst (das „was“) ist beschrieben.
Prozessbeschreibungen werden gebraucht
Ohne Prozesse kann es keine geordnete Organisation geben. Allerdings dürfen sich Prozessbeschreibungen nur auf die Beschreibung der Ergebnisse beschränken. Der Weg zum Ergebnis liegt in der Verantwortung des Teams und ist von äußeren Randbedingungen abhängig, die sich in unserer komplexen und volatilen Welt schnell ändern. Das Team kennt mit seiner Expertise den besten bekannten Weg zum Ergebnis. An die Stelle einer detaillierten Vorgangsbeschreibung tritt das fachliche Training der Teammitglieder und die kontinuierliche Verbesserung durch regelmäßigen fachlichen Austausch der Spezialisten.
Fazit: Sprengen Sie die Fesseln der starren Prozesse, indem Sie:
- Ihre Prozesswelt entschlacken und konsequent auf Ergebnisorientierung setzen, anstatt Prozesse zu dulden, die lediglich die Durchführung beschreiben
- interdisziplinäre Teams bilden, die selbstbestimmt und selbstorganisiert handeln
- Ihren Teams vertrauen. Investieren Sie in ihre Aus- und Weiterbildung. Fördern Sie den fachlichen Austausch der Spezialisten